Sozialbeiträge – Asozial?

Ich frage mich schon lange, warum unsere Sozialsysteme nicht zu funktionieren scheinen, obwohl unsere Wirtschaft boomt ohne Ende. Das kann doch gar nicht sein. Unsere Volkswirtschaft hängt alle anderen ab, hat aber nicht genug Kraft die Beteiligten an dem Bruttosozialprodukt ordentlich zu versorgen. Komisch, oder?

Welche Sozialbeiträge gibt es?

  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Gesetzliche Arbeitslosenversicherung
  • Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung
  • Berufsunfallversicherung

Diese Versicherungen haben zur Aufgabe die Menschen innerhalb des Sozialsystems vor existentiellen Risiken abzusichern. 

Wer bezahlt in die Sozialkassen ein?

Grundsätzlich ist die Sozialversicherung für alle Bürger verpflichtend. Wenn da nicht die Ausnahmen wären:

Die Sozialversicherung ist nämlich auf Arbeitnehmer ausgerichtet. Geringfügig Beschäftigte sind aber nicht sozialversicherungspflichtig. Genauso sind Selbstständige nur in manchen Fällen verpflichtet, Beiträge zu entrichten. Pflegepersonen stehen nicht in der Sozialversicherungspflicht, können sich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen versichern.

Quelle z.B. Wikipedia: 

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Lohnnebenkosten 
  • https://sozialversicherung-kompetent.de/sozialversicherung/allgemeines/751-die-sozialversicherung-ein-ueberblick.html

Wer wird erst gar nicht genannt?

Menschen, die von ihren Kapitalerträgen leben können, werden erst gar nicht genannt. Laut Duden ist eine Kapitalanlage der Einsatz von Geldmitteln in Beteiligungen, Sachwerten o. Ä. zur Erzielung von Gewinn.

Menschen die also ihr Geld anstatt sich selbst arbeiten lassen können, sind nicht teil des Sozialsystems. Das ist doch schon irgendwie komisch, oder?

Wie hoch sind dann die Abgaben auf Kapitalerträge?

Sozialversicherungsabgaben fallen ja keine an und auch steuerlich sind Kapitalerträge anders zu behandeln, nämlich mit einem Satz, der Kapitalertragssteuer heißt und heutzutage bei 25% Steuer. Dazu kommt der Solidaritätszuschlag von  + 5,5% der fälligen Kapitalertragssteuer – sprich 1,3750 % der Kapitaleinnahmen und für diejenigen, die Kirchensteuer zahlen nochmal 8 bzw. 9% der Kapitalerträge sprich 1,9608 % bzw. 2,2005 %. Macht also zusammen maximal 27,9951 %. Diesen Steuersatz erreicht ein normaler Arbeitnehmer schon bei einem Jahresverdienst von etwa 60000€ – aber der muss ja auch noch Sozialabgaben zahlen 

Sollten Kapitalerträge nicht sozialversicherungspflichtig sein?

Diese Frage wurde von der Gesetzgebung ja sehr eindeutig beantwortet. Nein, Kapitalerträge sind generell nicht sozialversicherungspflichtig. Aber warum ist das so? Und warum ist es für bestimmte Zielgruppen dann doch wieder sozialversicherungspflichtig – ich denke hier an die Mieteinnahmen die z.B. ein Rentner erzielt…

Und hier glaube ich kommen wir zu des Pudels Kern. Denn wenn man die Schnittmenge zwischen allen Bürgern (die ja per se sozialversicherungspflichtig sind) und denen die nicht sozialversicherungspflichtig sind, dann haben wir hier doch eine ganz interessante Gruppe:

  • Geringfügig Beschäftigte
  • Pflegepersonen
  • die meisten Selbständigen – aber wehe dem, dem eine Scheinselbständigkeit nachgewiesen wird…
  • Menschen die Kapitalerträge erwirtschaften

Die ersten zwei Gruppen sind nicht zu beneiden und fallen irgendwann auch komplett aus dem Sozialsystem – das scheint so gewollt zu sein.

Die Selbständigen sind eine sehr inhomogene Gruppe – es gibt den einfachen Handwerker aber auch Herr Carsten Maschmeyer.  

Und dann kommt noch die Menschen mit Kapitalerträgen. Das ist eine nicht minder inhomogene Gruppe – es fängt mit dem kleinen Sparer an und endet irgendwo im Geldadel.

Was ist diesen letztgenannten Gruppen gemein?

Die Gruppe der Selbständigen und der Menschen mit Kapitalerträgen ist gemein, dass die Spanne hier sehr groß ist – vom „Normalbürger“ bis hin zum „Superreichen“ und ich glaube, dies ist absichtlich so gemacht. Denn es hilft diese Privilegien zu verteidigen.

Versucht eine Partei den Vorschlag ins Parlament einzubringen, dass Sozialversicherungsbeiträge zum Beispiel von Kapitalerträgen erhoben werden sollen, dann kann ich mir die Schlagzeile in der Bildzeitung schon vorstellen: Rentnerin Erna geht es ans Ersparte. Und schon ist der Fokus auf die Seite verschoben, die Empörung und Entsetzen in der Bevölkerung auslöst und diese Diskussion schneller erstickt als sie aufgekommen ist. Und hier sind wir wieder bei den Mechanismen, die ich in meinem Blog über den Vortrag von Prof. Mausfeld aufgegriffen habe und in der ich ausgeführt habe, wie unsere Medien von interessierten Gruppen instrumentalisiert werden.

Was könnte man ändern?

Ich denke mit zwei Änderungen könnte man das sinnvolle System der Sozialversicherung wieder sozial machen:

  • Streichung der Beitragsbemessungsgrenzen: 
    Gerade die Menschen die gut verdienen, sollten einen angemessenen Beitrag zu den Sozialversicherungen beitragen. Durch das System der Beitragsbemessungsgrenzen wird dies aber pervertiert. Prozentual bezahlt ein Einkommensmillionär einen Fliegendreck. Und das ist nicht sozial!
  • Einbeziehung der Kapitalerträge in die Sozialversicherungspflicht:
    Es gibt keinen Grund, warum zwischen verschiedenen Einkunftsarten bzgl. Sozialversicherung unterschieden werden darf. Diese Einkünfte wurden unter den Rahmenbedingungen unseres Sozialsystems erwirtschaftet und sollte diese Rahmenbedingung auch mitfinanzieren. 

Als Konsequenz dieser Maßnahmen würde die Sozialversicherung gewaltige Zuflüsse bekommen, so dass z.B. die Beitragssätze prozentual sicherlich sinken würden und auch die Möglichkeiten der sozialen Ausgaben (Grundsicherung, Kindergeld, Krankenversorgung, Rente) signifikant verbessert werden könnten, so dass nicht Altersarmut droht sondern wir uns wieder ein würdiges Leben im Alter leisten könnten.

Und jetzt?

Nach der Erkenntnis muss das Handeln kommen, denn sonst ändert sich nichts… Ich für meinen Teil habe mich der Bewegung Aufstehen angeschlossen. Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben die Zeichen der Zeit erkannt, dass man über die eingeschwungenen Mechanismen die Dinge nicht mehr verändern kann. Ich kann jeden nur ermutigen sich vorbehaltlos die Ziele der Bewegung anzuschauen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Nur noch ein Gedanke zum Abschluss: Wo wären wir, wenn es nicht die Friedensbewegung gegeben hätte? Diese war auch außerparlamentarisch, wurde damals von den Medien diskreditiert und stark verkürzt. Aber am Ende konnte sie genug Menschen mobilisieren, um doch Gehör zu finden. Ich denke es ist mal wieder an der Zeit für eine Bürgerbewegung!

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