Passender Artikel in „Der Zeit“

Hatte ich gestern nicht etwas von zuhören geschrieben. Und just gestern Abend bin ich dann über einen Artikel „Nicht schon wieder zuhören“ von David Hugendick in der Zeit gestolpert, der fordert nicht zuzuhören, da diese Gruppe es nicht verdient hat ihnen zuzuhören: https://www.zeit.de/kultur/2020-08/corona-demo-berlin-verschwoerungstheorien-zuhoeren-kommunikation

Es wird ein schönes Bild bemüht – das des literarischen Quartetts bei dem drei Diskussionsteilnehmer das Buch gelesen haben und einer nicht. Derjenige der es nicht gelesen hat, fällt durch blöde Kommentare zu dem Buch auf wie „Hanuta“ und „Ich bin ein Habicht“ dazwischen und beruft sich auf die Meinungsfreiheit. Eine auf den ersten Blick sehr lustige Metapher, die aber meiner Meinung nach nicht passt. Denn es mag wirklich Dumpfbacken bei den Corona-Leugnern geben, aber es gibt dort sehr gebildete Leute, die das Buch sehr wohl gelesen haben, aber dabei andere Schlüsse gezogen haben. Und diese werden hier von solchen Artikeln in renommierten Zeitungen diffamiert und lächerlich gemacht. Das finde ich nicht fair und auch unserer Demokratie nicht würdig!

Passend dazu hat gestern Roman Baudzus auf cashkurs einen Kommentar geschrieben „„Der seltsame Frust über die deutsche Demokratie“ ist gar nicht so seltsam!“, in dem ein Artikel der in der Welt erschienen ist kommentiert wird: https://www.cashkurs.com/beitrag/der-seltsame-frust-ueber-die-deutsche-demokratie-ist-gar-nicht-so-seltsam/

In diesem Artikel geht es darum wie die Mainstreammedien die Meinung vorgeben wollen. Jede Interpretation, die dieser Meinung entgegenläuft wird erst gar nicht aufgegriffen und falls sie sich doch Gehör verschafft wird sie verteufelt und mundtot gemacht. Mit den üblichen Mitteln, die dann sind diese Meinungen in die Richtung von Verschwörungstheorien zu schieben oder zum Gedankengut von Radikalen einzusortieren.

Uns wird von dem Mainstreammedien nicht mehr zugemutet, dass wir uns aus einem Blumenstrauß von Interpretationen unser eigenes Bild machen – nein das Bild wird vorgezeichnet und als das einzig Wahre Bild dargestellt. Diese Strategie kannte ich bisher nur von Religionen, bei denen es nur den einen wahren Gott gibt und alle anderen Ungläubige sind, die entweder zu bekehren sind oder denen man halt den Schädel einhauen muss.

Meinungen und Wissen

Ich glaube, dass es hier eine Klärung bedarf, was Meinungen sind und was Wissen.

Wissen ist das, was aus einem wissenschaftlichem Prozess durch intensiven Diskurs als allgemeingültige Wahrheit definiert wurde. Es sind also Annahmen zu Gegebenheiten, die wir als Menschheit irgendwann als richtig definiert haben und über die daher nicht mehr zu diskutieren ist, da sie als wahr angesehen werden. Beispiel ist das heliozentrische Weltbild zur Beschreibung unseres Sonnensystems. Es löste das geozentrische Weltbild ab, in dem die Erde der Mittelpunkt der Welt war um die sich alles dreht. Solche Wahrheiten haben eine relativ lange Lebenszeit und ändern sich aufgrund von neuen Erkenntnissen nur sehr selten.

Wikipedia definiert wissen aktuell so:

Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von FaktenTheorien und Regelnverstanden, die sich durch den höchstmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheitausgegangen wird. Wissen beziehungsweise dessen Speicherung gilt als Kulturgut.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wissen

Im Gegensatz dazu sind Meinungen kurzlebig und personen- bzw. gruppenbezogen. Sie können sich von heute auf morgen ändern und erfordern auch keinen gesellschaftlichen Konsens.

Wikipedia meint dazu folgendes:

Nach einer verbreiteten philosophischen Begriffsverwendung ist das Meinen ein Fürwahrhalten, dem sowohl subjektiv als auch objektiv eine hinreichende Begründung fehlt. Dadurch unterscheidet sich das Meinen vom Glauben und vom Wissen. Von Glauben spricht man, wenn jemand eine Aussage für wahr hält, ihre Wahrheit also subjektiv als gesichert erscheint, obwohl der Glaubende keine objektiv zureichende Begründung dafür angeben kann. Der Unterschied zum Wissen besteht darin, dass der Wissende nicht nur von der Wahrheit der Aussage überzeugt ist, sondern auch über eine objektiv zureichende Begründung dafür verfügt. Diese Abgrenzung der drei Begriffe ist allerdings in der Philosophie nicht allgemein anerkannt, insbesondere hinsichtlich der Unterscheidung von Meinung und Glauben. In englischen Texten wird diese Unterscheidung nicht vorgenommen; belief kann sowohl mit „Meinung“ als auch mit „Glaube“ übersetzt werden. Hinzu kommt, dass in der Alltagssprache oft nicht zwischen „Meinung“, „Glaube“ und „Überzeugung“ unterschieden wird. Weder alltagssprachlich noch fachsprachlich hat sich eine einheitliche Begriffsverwendung durchgesetzt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Meinung

Leider wird in Diskussionen aber leider viel zu häufig Meinung und Wissen gleichgesetzt. Beispiele sind:

  • „Es gibt kein Corona“ – ist eine Meinung.
    Diese kann ganz jedoch klar durch wissenschaftliche Methoden, sprich durch Wissen zu widerlegen ist. Das Coronavirus kann wissenschaftlich nachgewiesen und beschrieben werden (DNA-Struktur, medizinische Eigenschaften, …). Daher ist dies eine Meinung, die schlichtweg falsch ist und in Diskussionen nichts zu suchen hat
  • „Corona ist nicht so gefährlich wie behauptet“ – ist auch eine Meinung
    Diese kann so einfach nicht wissenschaftlich widerlegt werden, da weder wissenschaftlich die Gefährlichkeit definiert wurde (für wen gefährlich, wie gefährlich gegenüber einem Bezugspunkt wie z.B. einer anderen Krankheit, …)
  • „Corona wird uns beschäftigen bis eine „Herdenimmunität“ erreicht ist, die sowohl durch Ansteckung und Genesung als auch durch Impfung erreicht werden kann“ – das ist Wissen, das durch wissenschaftliche Erfahrung mit anderen Krankheiten hervorgegangen ist und das aktuell anerkannter wissenschaftlicher Konsens ist. Es kann über Modelle berechnet werden und kann an anderen Krankheiten verifiziert werden.

Unsere Diskussionskultur

Leider wird in aktuellen Diskussionen nicht klar definiert, was Wissen ist und was Meinung. Beides wird vermischt. Dadurch fällt es dann leicht, Wissen in Frage zu stellen mit Meinungen wie „Corona gibt es gar nicht, denn es ist eine Erfindung der Eliten“. Und damit wird einer Diskussion die Grundlage entzogen auf deren Basis man überhaupt diskutieren kann. Denn wenn alles in Frage gestellt werden kann, ohne dass man sich auf einen bestimmten gesellschaftlichen Konsens einigt auf dessen Grundlage man diskutieren will, dann versinkt jede Diskussion in Chaos – so wie man das ja auch in den beliebten Diskussionsrunden im Fernsehen immer live und in Farbe anschauen kann.

Denn sobald ich in Frage stelle, dass 2 plus 2 vier ist, brauche ich mich nicht mehr darüber zu unterhalten ob 1000 mehr ist als 4 und ich kann mir schon allein über diese Aussage ewig lang den Schädel einschlagen.

Das ist wohl auch der Grund, warum Menschen wie Christian Drosten versuchen Wissen zu vermitteln und dabei auch versuchen zu vermitteln, wie Wissen entsteht. Christian Drosten ist ein Wissenschaftler, der es gewohnt ist über einen wissenschaftlichen Diskurs Wissen zu erschaffen – dabei auch eigene Meinungen zu revidieren. Er weiß, dass Wissen entsteht, indem Meinungen ausgetauscht werden, verworfen werden und irgendwann in einen Konsens überführt werden, der dann für den Moment Wissen darstellt. Er kennt den Prozess, aber er kennt auch die Regel, dass Wissen eben Wissen ist und man Wissen zwar anzweifeln darf aber nur mit guten wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht einfach nur mit einer Meinung aus dem hohlen Bauch heraus. Dies stellt er auch immer wieder klar, wenn er Studien bespricht. Sprich er sagt, was wissenschaftlicher Konsens ist und was noch in der Diskussion ist und wo man aktuell eher eine Meinung als Wissen hat. Und auch er revidiert seine Meinung immer mal wieder, wenn es Indizien gibt, die andere Schlussfolgerungen fordern. Genau das gefällt mir an dem Podcast mit Christian Drosten so gut.

Daher muss es für ihn ein Graus sein, wenn er dann in eine Talkshow geworfen wird und dort mit Meinungsmachern diskutieren soll über Dinge, die nicht zu diskutieren sind.

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